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Viktor Müller

* 1829 – † 1871

Zweirädriger Karren von einem Schimmel gezogen in einer stürmischen Landschaft

Öl auf Leinwand auf Pappe aufgezogen
3141,5

Monogrammiert unten rechts: V M

Der gebürtige Frankfurter Victor Müller genoss seine erste akademische Ausbildung ab 1845 am Städelschen Kunstinstitut, um im Anschluss an der damals renommierten Antwerpener Akademie zu studieren. Besonders die flämische Malerei um Rubens, van Dyck und Jordaens1 hatten es dem jungen Künstler angetan und konnten hier ausgiebig studiert werden. Bedeutender Einfluss auf die weitere künstlerische Entwicklung Müllers hatte der 1851–58 dauernde Parisaufenthalt, wobei es ihm gelang, als Schüler in das Atelier von Thomas Couture2 einzutreten.3 In diese Zeit fällt auch die enge Verbindung zu Gustave Courbet4, welcher unter anderem mit seinem Pavillon Le Réalisme anlässlich der Pariser Weltausstellung 1855 für Aufsehen sorgte. Der rege und freundschaftliche Austausch der beiden Künstler hielt auch nach Müllers Rückkehr nach Frankfurt 1858 an, jenem Jahr, in dem der Franzose auch Frankfurt für einen mehrmonatigen Aufenthalt besuchte.5 Besonders ab den frühen 1860er Jahren kann von einer künstlerischen Reife im Werk Müllers gesprochen werden. Diese spiegelt sich auch in seinem Bestreben nach einer speziellen Art der pastosen Malweise wider, in der das Sujet des Bildes hinter der Malerei selbst zurücktritt. Die Werkverzeichnis-Autorin Evelyn Lehmann spricht von einem „poetischen Realismus“6 und datiert vorliegendes Werk auf diese Zeit vor Müllers Übersiedelung nach München 1865. Auf dem vom Regen aufgeweichten Boden begegnet uns ein Junge, der einen weißen Schimmel führt. Das Tier zieht einen behäbigen Karren hinter sich her, auf dem zwei Frauen sitzen. Der in einzelne braune Nuancen von Erdtönen abgestufte Boden scheint in einer Mischung aus Licht und Schatten im Zusammenspiel mit den sich bewegenden Läufen des Pferdes zu vibrieren. Am Karren selbst scheint der nasse, stets nachgebende Weg mit dem Rad eine ungewollte Symbiose eingegangen zu sein, die von der schweren Gangbarkeit des Geländes zeugt. Die dunkle Landschaft wird von einem von Regenwolken durchzogenen Himmel überspannt. Das französische Vorbild ist sowohl in der reinmalerischen Farbwiedergabe als auch in dem die Anstrengungen der Landbevölkerung thematisierenden Sujet spürbar. Die Qualität dieser Malerei war nicht nur Peter Burnitz7 bewusst, dem sein Freund dieses Werk zum Geschenk machte. Auch Ottilie Roederstein8 muss das Bild verehrt haben, hatte sie dieses doch auf der Versteigerung des Nachlasses von Burnitz 1914 erworben.


  1. Peter Paul Rubens (1577–1640), Anthonis van Dyck (1599–1641) und Jacob Jordaens (1593–1678).

  2. Thomas Couture (1815–1879) war unter anderem auch Lehrer von Édouard Manet (1832–1883) und Anselm Feuerbach (1829–1880).

  3. Kat. Ausst. Victor Müller. Gemälde und Zeichnungen, Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie Frankfurt am Main 1973, Frankfurt 1973, S. 3.

  4. Jean Désiré Gustave Courbet (1819–1877) gilt als bedeutender Wegbereiter der realistischen Malerei des 19 Jahrhunderts.

  5. Ausst. Kat. Kunstlandschaft Rhein-Main. Malerei im 19. Jahrhundert 1806–1866, Haus Giersch Frankfurt 2001, Frankfurt 2001, S. 176.

  6. Lehmann, Evelyn: Der Frankfurter Maler Victor Müller 1830–1871, Frankfurt am Main 1976, S. 208.

  7. Peter Burnitz (1824–1886).

  8. Ottilie Wilhelmine Roedersten (1859–1937).

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