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Oswald Achenbach

* 1827 – † 1905

Italienische Straßenszene mit Schafherde, 1856

Öl auf Leinwand
79112

Signiert und datiert unten rechts: Osw Achenbach 1856

Die weite Straßenszene mit zahlreicher Staffage, die uns Oswald Achenbach hier vorstellt, wird auf der linken Seite von einer erhöhten Ortschaft flankiert, an deren Fuß mächtige Ruinen von der Größe vergangener Zeiten zeugen. Rechts hingegen begleiten nur vereinzelte Bäume und eine in die Tiefe verlaufende Mauer den Bildrand. Bemerkenswert ist, dass bei dem vorliegenden Bildaufbau der erste Blick des Betrachters unweigerlich in die Tiefe des Gemäldes mündet. Jedoch schafft es der Künstler, mit einer Folie aus diffusem Sonnenlicht, dass sich durch verschiedene Wolkenschichten bricht und den aufgewirbelten Staub auf der Straße hinterleuchtet, unsere Aufmerksamkeit unmittelbar wieder auf die Bühne des Vordergrundes zu lenken. Auf dieser begegnet uns die große Schafsherde, die als Bindeglied zwischen Hinter- und Vordergrund fungiert. Sie wird von dem auf einem Esel reitenden Hirten auf der rechten Seite angeführt, der auf eine Wasserträgerin blickt, die von einem seiner Tiere bedrängt wird. Der Brunnen am linken Bildrand, welcher neben der Funktion als Wasserquelle auch als sozialer Treffpunkt dient, gibt dem Maler eine weitere Möglichkeit, seiner ausgeprägten Faszination für das italienische Volksleben Ausdruck zu verleihen. Die den Brunnen umgebende Staffage wird aber über den erzählerischen Moment hinaus auch in die Lichtführung mit einbezogen, wie in dem Spiel aus hellen und dunklen Partien in der Tracht der Frauen deutlich wird. Spannend ist, dass in vorliegendem Werk die noch wenige Jahre zuvor deutlich spürbaren Einflüsse Johann Wilhelm Schirmers im Sinne einer detailgenauen Darstellung mit dünnem und gleichmäßigem Farbauftrag sowie des Einsatzes verschiedener Vegetationsversatzstücke im Kompositionsaufbau überwunden scheinen.1 Dies ist auch insofern hervorzuheben, als dass das Gemälde rund ein Jahr vor Achenbachs dritter und wohl prägendster Italienreise 1857 entstand. Diese sollte maßgeblichen Einfluss auf seinen – wie Potthoff es nennt – Personalstil2 haben, welcher sein Œuvre von nun an beherrschen sollte. In unserem Bild fällt auf, dass wir hier zum Ende seines Frühwerkes bereits zahlreiche Elemente entdecken können, die im Anschluss an die dritte Italienreise langfristig Einzug in die Malweise des Künstlers finden. So deutet sich im Bildaufbau bereits in abgeschwächter Form das Prinzip der Diagonalkomposition an, auf das der Maler in zahlreichen seiner italienischen Werke nach 1857 zurückgreifen wird. Auch die nun mit pastosem Strich aufgetragene Farbe wird in ihrer Materialität zunehmend hervorgehoben, und hat weniger die Funktion, eine Illusion der Oberflächenstruktur des wiederzugebenen Objekts zu erzeugen.

Das Gemälde stellt somit sowohl einen Übergang aus dem Frühwerk heraus dar, ist aber zugleich auch in vielerlei Hinsicht ein Vorbote für jene Malweise und Kunstauffassung, deren Entwicklung vor allem in Verbindung mit seiner dritten Italienreise von 1857 gesehen wird und das Œuvre Achenbachs maßgeblich prägen sollte.


  1. Vgl. Oswald Achenbach, Eichenhain an einem Fluss in Latium, 1852, Öl auf Leinwand, 90,7 x 153,5 cm, LVR-Landesmuseum Bonn, Inv. Nr. 1964.1447,0-1.

  2. Potthoff, Mechthild: Oswald Achenbach. Sein künstlerisches Wirken zur Hochzeit des Bürgertums Studien zu Leben und Werk, Köln-Berlin 1995, S. 37.

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