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Lesser Ury

* 1861 – † 1931

Nächtliche Straßenszene

Öl auf Leinwand auf Karton aufgezogen
915,5

Signiert unten links: L. Ury.

Wie kaum ein anderer Maler seiner Epoche hat Lesser Ury das mondäne Leben der Großstadt in seinen Werken festgehalten. Ob in Caféhausszenen oder in Straßenmotiven aus den europäischen Metropolen Paris, London und Berlin, er schafft es die spezifische Atmosphäre des Ortes und das Lebensgefühl der Zeit wiederzugeben. So auch in unserer in den 1920er Jahren entstandenen Arbeit, die uns in eine verregnete Berliner Nacht mitnimmt. Die Straßenbeleuchtung und große, hell erleuchtete Schaufenster fluten die Szenerie in weißgelbes Licht, das sich auf dem dunklen Automobil und der Straße im Nass des Regens spiegelt. Auf dem Trottoir schreiten Passanten unter Regenschirmen durch die belebten Straßen. Eine Frau in violettem Mantel schreitet direkt auf den Betrachter zu und vermittelt im Zusammenhang mit der Frontalansicht auf die Silhouette der Schaufenster und des kontrastierenden Automobils Unmittelbarkeit und Nähe. Dieses Gefühl wird durch das auslassen des für den Künstler typischen Blickes in die Tiefe einer Straßenflucht noch verstärkt. Lediglich im rechten Bildteil im diffusen Licht der verregneten Nacht ist eine weitere Straße angedeutet. Lesser Ury wählte in den 1920er Jahren mehrfach kleinformatige Bildträger, um die Impressionen der Stadt festzuhalten. Für diesen Zweck hatte er sich einen handlichen Malkasten anfertigen lassen, der als Tubenbehälter, Palette und Staffelei zugleich diente.1 Ungemischt und dick ist der Farbauftrag des Bildes, in dem Ury die Konturen in der regennassen Luft verschwimmen lässt. In ihr scheint das Treiben der Menschen und die Dynamik des technischen Fortschrittes aus elektrischer Beleuchtung und motorisiertem Verkehr zu vibrieren.

Das Bild wird in das Werkverzeichnis der Gemälde, Pastelle, Gouachen und Aquarelle Lesser Urys von Frau Dr. Sibylle Groß aufgenommen.


  1. Schlögl, Herrmann und Schwarz, Karl: Lesser Ury. Zauber des Lichts, Berlin 1995, S. 79.

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