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Hans Thoma

* 1839 – † 1924

Scheunenauffahrt am Elternhaus in Bernau, 1861

Aquarell, Tusche und Bleistift weiß gehöht auf Papier
2117,6
Datiert unten rechts: 1861
Scheunenauffahrt am Elternhaus in Bernau, 1861

Mit dem Beginn seines Studiums an der Großherzoglichen Kunstakademie 1859, an der er unter anderem bei Johann Wilhelm Schirmer1 ausgebildet wurde, hatte sich der Lebensmittelpunkt Hans Thomas nach Karlsruhe verlagert.2 Wohl etwas erschöpft hält der junge Maler im Jahr 1861 in folgendem Tagebucheintrag seine Vorfreude auf den Besuch in seiner Heimat Bernau fest:

Morgen abend (sic) sitze ich schon daheim bei Mutter und Schwester am Tisch. Wie freue ich mich auf die 14 Tage, die ich daheim sein kann, ich war in der letzten Zeit recht flau und energielos. Ich hoffe, die Heimat wird mich wieder rüstig und stark machen, sie wird mir wieder Stoff geben etwas zu gestalten.3

Neue Kraft und Inspiration erhielt Thoma nicht nur aus dem Kreis seiner Familie, sondern auch aus seinem Elternhaus selbst, welches er im gleichen Jahr des Tagebucheintrages in dieser ungemein frischen Aquarellstudie wiedergibt. Im Hochformat widmet sich der Maler in schrägem Blickwinkel der Rückseite des für den Schwarzwald typischen Bauernhauses. Der Vordergrund ist durch das Mauerwerk der zur Scheune führenden Rampe begrenzt. Dahinter führt der Blick in die Weite der hügligen Landschaft. Das mit Holzschindeln gedeckte Dach ist in weiten Teilen von einem, wohl rote Früchte tragenden Baum verdeckt. Unter diesem wird schemenhaft die im Schatten liegende Architektur um den Eingangsbereich herum erfasst. Ein großer Stapel Reisig, Holzstämme und ein kleiner Heuberg zeugen in dem von Hühnern belebten Vordergrund von der Landarbeit. Das Haus existiert heute noch, jedoch ist jener an die Scheune angrenzende Bereich, den Thoma für seine Darstellung wählte, in dieser Form nicht erhalten geblieben. Somit hat das Bild auch einen dokumentarischen Wert und gibt einen Einblick in die Lebenswelt des jungen Malers.

Thoma nutzte vorliegendes Werk als Vorlage, um das Motiv seines Geburtshauses 1866 in Ölfarbe wieder aufzugreifen (Abb. 1). Die Wahl fiel nun auf ein Querformat, in dem der Blick näher an das Haus heranrückt. Die Architektur ist nun detaillierter wiedergegeben und es stellt sich ein Gefühl von Intimität ein. Neben dem Eingang auf einer Bank sitzt die Mutter des Künstlers in die Arbeit vertieft.4

Auch in der Folgezeit wird sich Thoma immer wieder Motiven aus seiner Heimat im Schwarzwald widmen, welches als Ausdruck seiner tiefen Verbundenheit zu seinen Wurzeln zu sehen ist.

Thoma -Scheunenauffahrt am Elternhaus in Bernau- 6140 JPG    Vergl Abb . Thoma -Das Elternhaus des Künstlers- 1866 Öl auf Pappe 62,5 x 82 cm Haburger Kunsthalle Inv. Nr. 1541.jpg Abb.1 Hans Thoma: Das Elternhaus des Künstlers, 1866, Öl auf Pappe, 62,5 × 82 cm, Hamburger Kunsthalle Inv. Nr. 1541

Fußnoten

  1. Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863) war der erste Direktor der 1854 durch den Großherzog Friedrich I. von Baden (1826–1907) gegründeten Karlsruher Kunstakademie und ein wichtiger Impulsgeber in der Entwicklung der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts in Deutschland.

  2. Kat. Ausst. Hans Thoma. Stationen eines Künstlerlebens, Hans-Thoma-Kunstmuseum Bernau 2014, Petersberg 2014, S. 326.

  3. Thoma, Hans: Im Herbst des Lebens, München 1909, S. 32.

  4. Kat. Slg. Katalog der Meister des 19. Jahrhunderts in der Hamburger Kunsthalle, bearb. von Eva Maria Krafft und Carl-Wolfgang Schümann, Hamburg 1969, S. 334.

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