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Carl Morgenstern

* 1811 – † 1893

Albaner See, um 1835

Öl auf Papier auf Leinwand aufgezogen
29,544,5

Als passionierter Landschaftsmaler und Abkömmling der berühmten Künstlerdynastie Morgenstern verfiel auch Carl Morgenstern der „Italiensehnsucht“, die spätestens seit Goethes Italienreise und mit dem Aufkommen des Klassizismus die deutschen Schriftsteller und bildenden Künstler des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts überfiel. Morgenstern folgte im Oktober 1834 seinen deutschen Künstlerkollegen in den Süden, um dort drei Jahre lang die mediterranen Gefilde zu bereisen. In den verschiedensten Regionen Italiens schuf der Frankfurter Künstler einen umfangreichen Bestand an Ölstudien und Zeichnungen, die ihm als Vorlage und Inspiration für seine koloristischen und stimmungsvollen Ateliergemälde dienten.1 So handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um eine vollends ausgeführte Ölstudie für Morgensterns Gemälde Der Albaner See mit Castel Gandolfo und Kloster Palazzolo2, an dem der Künstler in seinem römischen Atelier im Winter 1836 gearbeitet hatte und das er später in Frankfurt vollendete.3 Die Studie kommt ohne jegliche Staffage aus und zeigt die Natur so, wie sie Morgenstern auf seinem Ausflug in die Albaner Berge vorfand. Allein das warme Leuchten der untergehenden Sonne in der linken Hälfte des Bildhintergrundes lässt erkennen, dass es sich bei der vorliegenden Ölstudie um eine Abendszene handelt.[^In einer Transportliste, welche Carl Morgenstern im Juni 1837 von den Bildern aufstellte, die er nach Frankfurt geschickt hatte, gibt er für das vierte Bild keinen Titel, jedoch die folgende Beschreibung an: „[…] dann habe ich noch ein kleines mit Gebirgen, Mittelgrund, einige Gebäude auf einem hohen Terrain und unten Wasser, was bis an den Vordergrund geht, welcher von der linken beleuchtet ist; abends.“ Es könnte sich hierbei um die vorliegende Ölstudie handeln (siehe Eichler, Inge: Carl Morgenstern. Unter besonderer Berücksichtigung seiner Schaffensphase von 1826–1846, Darmstadt 1976, S. 73).] Das sanfte Gelb der Abendsonne verliert sich in den Weiten des blauen Himmels, an dem nur wenige Wolken zu sehen sind. Die letzten Strahlen des Tages verschwimmen mit den feinen Linien in hellen Blautönen, die das in der Ferne liegende Tyrrhenische Meer andeuten. Vor uns führt ein schmaler Weg zu dem spiegelglatten See, welcher eingebettet in dem ihn umgrenzenden Hügel das Zentrum der Landschaft bildet. An zwei Stellen des linken Uferrandes steigen zarte Rauchschwaden auf, die sich allmählich in dem Grün der Landschaft auflösen. Mittels der Pinie und den diagonal verlaufenden Gebäuden des Klosters Palazzolo[^In einem Brief vom 26. Dezember 1836 an seine Familie in Frankfurt erwähnt Morgenstern die geographischen Angaben zu seinem Werk Der Albaner See mit Castel Gandolfo und Kloster Palazzolo: „[…] ein ziemlich weite Aussicht, Horizont in der Mitte in der Ferne Rom, dann die Ufer des Sees mit Castel Gandolfo, in der Tiefe der See, Mittelgrund, rechts das Kloster Pallazuolo, vorne ein Weg und ein paar Bäume, sind noch nicht untermalt.“ (siehe Eichler 1976, S. 73).] auf dem hohen Terrain am rechten Bildrand des Vordergrundes erzeugt Morgenstern eine Tiefenstaffelung, die unseren Blick auf den See und die dahinter liegende unendliche Weite des Meeres führt. Der Frankfurter Künstler malte die Ölstudie des Albaner Sees mit raschen und lockeren Pinselstrichen inmitten der Natur, um die Impression des warmen Lichtes der untergehenden Sonne am tiefen Horizont sowie die hellen Farben und die besinnliche Stimmung der südländischen Landschaft unmittelbar einzufangen. Im Gegensatz dazu präsentiert das für Morgensterns Verhältnisse große Ölgemälde Der Albaner See mit Castel Gandolfo und Kloster Palazzolo eine stark durchkomponierte und idealisierte Landschaft mit Flöte spielenden Hirten und ruhenden Ziegen als Staffage. Morgenstern korrigiert in dem Atelierbild die Zufälligkeiten der Natur, um eine vollkommene Kulisse nach dem Vorbild des damaligen Kunstgeschmackes zu schaffen. Dazu rückt er die Anhöhe mit den Gebäuden des Klosters in den Mittelgrund und fügt dem Ölgemälde weitere hohen Pinien zu, um die Aussicht auf die italienische Region Latium noch weiter erscheinen zu lassen und die Komposition innerbildlich einzurahmen. Darüber hinaus arbeitet der Maler in seinem hochstilisierten Atelierbild mit einem feineren Farbauftrag und starken Hell-Dunkel-Kontrasten, so dass der Mittelgrund des Bildes mit dem Albaner See und dem Klosterkomplex hell erleuchtet wird, während der Vordergrund mit Staffage im Schatten liegt.


  1. Kat. Ausst. Carl Morgenstern und die Landschaftsmalerei seiner Zeit, Museum Giersch, Frankfurt am Main 2011, Petersberg 2011, S. 7.

  2. Carl Morgenstern: Albaner See mit Castel Gandolfo und Kloster Palazzolo, 1836, Öl auf Leinwand, 75 x 105 cm, Privatbesitz, siehe Kat. Ausst. Carl Morgenstern und die Landschaftsmalerei seiner Zeit, S. 130 Abb. 49.

  3. Kat Ausst. Carl Morgenstern, Kunsthandlung J. P. Schneider jr., Frankfurt am Main 1993, Frankfurt am Main 1993, Abb. 26.

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